Affären, Spitzelaffären ohne Ende: Deutsche Telekom, Deutsche Bahn, Deutsche Bank und andere. Im Zentrum stehen Versuche des Vorstandes bzw. zentraler Sicherheitsstäbe, zu überprüfen, wer nicht im Sinne des Unternehmens handelt. Oft ist die Beziehung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat tangiert.
Die Affären legen die Hypothese nahe, dass das Verhalten ein Symptom der Überforderung ist. Die Grenzen des ordnungsgemäßen Umgangs werden verletzt, Daten werden gesucht, um Kontrolle auszuüben, um Unsicherheit zu verringern, Verdachtsmomente über Umwege statt offen zu bearbeiten. Die Überwachungsaktionen sind zwar selbst Grenzüberschreitungen, sind aber vom Grunde her angelegt, Belege für Grenzverletzungen zu beschaffen, also die Beziehung zum Bespitzelten aus der Sphäre des persönlichen Umgangs und Kontaktes heraus in eine Beziehung auf der Grundlage von Belegen und Beweisen zu führen. Sind die Affären Anzeichen von Überforderung von Personen oder sind sie Ergebnisse systemischer Fehlgestaltungen der Organisation?
Der Vorstand einer AG hat die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§76 Abs. 1 AktG), jedoch ist er vom Aufsichtsrat berufen worden. Dieser kontrolliert den Vorstand und entscheidet unter anderem ob und wann gegebenenfalls die Hauptversammlung außerplanmäßig über die Geschäftsführung des Vorstandes zu informieren ist. Beide stehen dabei im Zentrum des öffentlichen Interesses, äußern sich gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit und die Aufsichtsratsmitglieder haben neben ihren Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft andere, zum Teil konkurrierende Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitgebern, und Organisationen.
Der Vertragspartner des Vorstandes ist der Aufsichtsrat, der die Gesellschaft ihm gegenüber in- und außergerichtlich vertritt. Der Aufsichtsrat agiert damit als Vertreter der Gesellschaft als ganzes. Er ist nicht ausschließlich der Vertreter der Anteilseigner, oder Unternehmer, er bindet im Rahme der paritätischen Mitbestimmung ebenfalls die Arbeitnehmer in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens ein.
Die Verantwortung des Vorstandes richtet sich aber außer bei der gemeinnützigen AG auf die Führung des Unternehmens mit dem Ziel, Erträge für die Anteilseigner zu erwirtschaften. Es gibt in der Aktiengesellschaft aber kein Organ, das ausschließlich und kontinuierlich die Interessen der Anteilseigner direkt gegenüber dem Vorstand operativ vertritt. Die direkte und exklusive Verbindung zu seinen Eigentümern fehlt dem Vorstand also im formalen deutschen Recht, er kann sie nur informell selbst gestalten.
Darüber hinaus hat sich jetzt auch noch der Gesetzgeber eingeschaltet und führt eine Karenzfrist für den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtrat ein. Ein klares Signal des Misstrauens gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.
Ohne in den Reigen derer einzustimmen, die immer wieder grundsätzlich die paritätische Mitbestimmung in Frage stellen, stellt sich doch die Frage ob ein Vorstand nicht genau eine derartige Instanz braucht, die ihn direkt mit den Eigentümern verbindet? Denn neben den oben beschriebenen Affären gibt es auch die Krisen, die von Aufsichtsräten immer wieder zu spät erkannt werden (siehe Phillip Holzmann) die Interessenkollisionen, die zugelassen werden (siehe Arcandor) und die Fälle, in denen Vorstände über Medien der Massenkommunikation das Ohr ihrer Aktionäre gesucht haben (siehe Mannesmann gegen Vodafone) .