Recruiting, die zwei wichtigsten Fehler

by Harald Ackerschott, posted Jul 16, 2015

Was sind die zwei wichtigsten Fehler beim Recruiting, im Employer Branding, bei der Stellenanzeige und in der Personalauswahl?

Die Arbeit an den internationalen Global HR Standards zum Recruiting ist eine Gelegenheit für uns, unsere Vorgehensweisen beim Employer Branding, bei der Gestaltung von Stellenanzeigen, beim Assessment und im Screening sowie in der Personalauswahl mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt zu diskutieren. Es geht darum, gemeinsam zu überlegen, was sind die Schlüsselelemente des Recruiting, die in den ISO Standards erfasst werden sollen. Der Entwurf zur ISO 30405 Recruitment soll Educational Guidelines formulieren, die den gesamten Prozess von der Anwerbephase (Employer Branding und Personalmarketing, z. B. Stellenanzeigen) über die unterschriftlichen Schritte der Vorauswahl und Personalauswahl im engeren Sinne bis zum Onboarding für Unternehmen aller Größen auf den Punkt bringen.

Auffällig ist, dass in solchen internationalen Arbeitsgremien manchmal die Basics nicht reflektiert werden, sondern stattdessen der aktuelle HR 4.0 Hype das Denken bestimmt. Für uns eine Gelegenheit an Basics zu erinnern, denn neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, einstellen und binden ist vielleicht der wichtigste Beitrag überhaupt, den HR für eine Organisation leistet. Zumindest weisen immer mehr Untersuchungen darauf hin, dass richtige Mitarbeitersuche und Personalauswahl Unternehmenserfolg maßgeblich beeinflussen.

HR spielt beim Recruiting eine zentrale Rolle: Für die Linienfunktionen leistet die Personalfunktion wichtige Vorbereitungsarbeit und bringt Prozesswissen ein. Auch wenn die Entscheidung zur Einstellung einer neuen Kollegin oder eines neuen Kollegen schlußendlich in der operativen Linienfunktion getroffen wird, hat HR mit seinen Aktivitäten zur Prozesssteuerung, zur Ausschreibung und zur Vorauswahl entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Alle Aktivitäten drehen sich hierbei darum, die zwei zentralen Fehler, die man machen kann auszubalancieren:

1. Fehler: Kandidatinnen und Kandidaten in der Endauswahl zu haben, die die Aufgabe nicht erfüllen werden.
2. Fehler: Kandidatinnen und Kandidaten zurückzuweisen, die die Aufgabe sehr gut erfüllen könnten.

Diese beiden Fehler stehen sich gegenüber. Ob beim Employer Branding, in der Stellenausschreibung oder in der Vorauswahl: Immer geht es darum möglichst wenige ungeeignete Kandidatinnen und Kandidaten anzusprechen, zur Bewerbung zu aktivieren oder auszusuchen. Und gleichzeitig geht es darum, möglichst wenige geeignete Kandidatinnen und Kandidaten, die die Aufgabe besonders gut erfüllen würden, durch das Unternehmens-Image oder durch falsche Signale abzuschrecken oder in der Vorauswahl final auszusortieren. Im gesamten Prozess, von der Stellenanzeige bis zur Personalentscheidung, muss man mit den beiden Fehlern umgehen.

Denn: kann man aus Fehlern lernen? Aus einigen vielleicht, aber nicht aus allen: Den 2. Fehler kann man im ganzen Prozess nie mehr korrigieren. Wenn man schon in der ersten Phase der Personalauswahl, meist bei der Sortierung der CVs, denjenigen oder diejenige, die die Aufgabe am besten erfüllen würde aussortiert hat, sind sie für die gesamte Recruiting Aktion verloren. Zu strenge oder schlicht unpassende Kriterien bei der Vorauswahl gefährden also das Endergebnis viel mehr, als ein zu großzügiges Vorgehen bei der Vorauswahl, denn ungeeignete Kandidatinnen können in einem späteren Auswahlschritt immer noch aussortiert werden. Einmal abgelehnte Kandidaten dagegen können nicht in nächsten Schritten auf ihr Potenzial hin betrachtet werden.

1 Comment to "Recruiting, die zwei wichtigsten Fehler"

  1. Roland Kreuscher wrote:

    Genau, lieber Kollege Ackerschott,

    das sind die 2 Kardinalfehler, die zu vermeiden sind. Und, so wie Sie es darstellen, wird auch nachvollziehbar, dass man zuerst den 2. Fehler, Geeignete abweisen, „bekämpfen“ muss.
    Kurioser Weise kann man das, indem man sehr häufige, beliebte Aktivitäten unterlässt: Telefoninterviews und – dem folgend – persönliche Einzel-Erstgespräche. Beides wird praktisch nie so durchgeführt, dass beide Fehlerarten nachweislich in signifikantem Ausmaß vermindert auftreten.
    M.E. ist das nicht einmal theoretisch möglich; zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand, der dann anderweitig fehlt. Etwa bei Einarbeitung, Entwicklung von Produktivität und Zufriedenheit; der eigentliche Zweck jeden Recruitings.
    Fast immer kann man aber feststellen, dass Zeit und Aufwand für diese beiden Interviewsorten, nicht allen – nach Bewerbungsinfos – potenziell Geeigneten zuteil werden. Denn jeder hat nur 24h pro Tag. Bei jedem sind diese Stunden +/- inkompatibel zu „allen“ anderen verbucht. Folge: Das Risiko des 2. Fehlers steigt erheblich oder – bei „Kand. kommt in die nächste Runde“ – die beiden Gespräche zuvor waren Zeitvergeudung.
    Zeit, die erheblich nützlicher bei der Produktion qualifizierter Bewerbungen einzusetzen wäre.
    Klar, könnte man jetzt verdeutlichen, wie heutzutage „Produktion qualifizierter(!) Bewerbungen“ aussehen sollte. Aber das hier ist ja nur ein Kommentar zu einem sehr relevanten Blogeintrag …

    Beste Grüße, Roland Kreuscher

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